Dr. Katharina Hadeyer-Ingolic, Friederike Rantasa und Mag. Astrid Trettenbrein mit dem 2. Teil einer Serie über ganzheitliche Behandlungsmethoden der Traditionellen Chinesischen Medizin
Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) ist ein umfassendes Medizinsystem, das im Laufe der letzten 2500 Jahre in China entstanden ist. Entgegen dem somatischen (auf Krankheitsbilder bezogenen) und mikroskopischen (detailbetrachtenden) Ansatz der westlichen Medizin stellt die TCM eine funktionelle und ganzheitliche Medizin dar.
In der TCM hängt die Gesundheit jedes Menschen von einem Gleichgewicht zwischen den gegensätzlichen Kräften Yin und Yang ab. Solange Yin und Yang im Gleichgewicht bleiben, sind Körper und Geist gesund. Wird eine der Kräfte jedoch übermäßig stark oder zu schwach, führt das zu einem Ungleichgewicht und zu Krankheit.
Das Zusammenwirken von Yin und Yang, von kalt und warm, von passiv und aktiv lässt eine Art Lebensenergie, bekannt als Qi (Aussprache: tschii), entstehen. Qi fliesst auf klar erkennbaren Bahnen, den Meridianen oder Leitbahnen, und verbindet die Regionen und Teile des Körpers miteinander.
Genau wie Yin und Yang muss auch Qi in Harmonie sein: Solange Qi in genügender Menge im ganzen Körper ungehindert fließen kann, ist der Mensch physisch und psychisch gesund. Krankheiten werden hervorgerufen durch gestörte Qi-Flüsse. Darum liegt das Hauptziel der Behandlung immer im Ausgleich von Yin und Yang sowie in der Gewährleistung einer freien Qi-Zirkulation.
Energiefluss, Schmerzlinderung, Schmerzbehandlung
Mit Hilfe von feinen, biegsamen Nadeln aus Stahl, Silber oder Gold werden Beschwerden wirkungsvoll gelindert. Wie auch die Akupressur beruht die Akupunktur auf der Theorie der Energieleitbahnen (sogenannte Meridiane) und der Energiepunkte, die über den ganzen Körper verteilt sind.
Diese Punkte werden in der Akupunktur mit gezielten Nadelstichen angeregt, um auf den Energiefluss in den Meridianen einzuwirken und einen Überschuss oder Mangel an Qi (Lebensenergie) auszugleichen. Besonderen Erfolg verzeichnet die Akupunktur bei der Behandlung von Schmerzzuständen, bei rheumatischen und psychosomatischen Erkrankungen wie z.B. Asthma, bei der Behandlung von Suchterkrankungen, bei Migräne und sogar bei einigen chronischen Organerkrankungen. Zur Stimulation der Akupunkturpunkte werden gerade in der westlichen Heilkunde auch Strom- und Laser-Impulse (Laserakupunktur) eingesetzt.
Die Diagnostik
Sowohl die kranken als auch die gesunden Menschen werden in der TCM unter ganzheitlichen und energetischen Aspekten betrachtet und behandelt. Jede energetische Störung sollte so früh wie möglich erkannt werden, um zu verhindern, dass eine Krankheit entsteht.
Die TCM hat über die Jahrtausende ein vielfältiges Diagnoseverfahren entwickelt. Die beiden Eckpfeiler sind die Zungendiagnose und die Pulsdiagnose: Durch das genaue Beobachten von Form, Farbe und Qualität der Zunge sowie durch das Fühlen der 28 verschiedenen Pulsqualitäten kann der Therapeut oder die Ärztin auf die inneren Abläufe im Körper Schließen.
Diese Diagnoseverfahren werden ergänzt durch Informationen, die sich aus der Befragung und Beobachtung der Patienten gewinnen lassen. Aus der Kombination dieser vier klassischen Diagnosemethoden erarbeiten die Ärzte und Therapeutinnen der Chinesischen Medizin ein Bild der Disharmonie (körperlich und/oder psychisch), welches durch die Therapie korrigiert werden soll.
Akupunktur und Akupressur
Die Akupunktur lenkt die Energie. Sie beeinflusst Körperfunktionen gezielt über spezifische Punkte an der Körperoberfläche. Das unterschiedlich tiefe Einstechen der Nadeln an den über 360 Akupunkturpunkten gleicht die Qi-Zirkulation aus und reguliert bestimmte Organsysteme. Die Einstiche der Nadeln verursachen nur selten Schmerzen; Patienten spüren ein leichtes Ziehen
oder ein feines elektrisches Gefühl.
Der Begriff Akupunktur setzt sich zusammen aus den lateinischen Worten acus (Nadel, spitz) und pungere (stechen). Akupunktur bedeutet also wörtlich übersetzt “Nadelstechen”. Bei der Behandlung werden bestimmte Akupunkturpunkte durch einen sanften Reiz mit Akupunktur-Nadeln aktiviert. Die Punkte liegen auf den Meridianen und stehen mit einzelnen Organen und Organbereichen in Beziehung. Der Reiz reguliert die Qi-Zirkulation, und die entsprechenden Organe werden zur Selbstheilung angeregt. Bei der Akupunktur wird also nicht das erkrankte Organ direkt behandelt, sondern der Meridian bzw. Akupunkturpunkt, dem das Organ zugeordnet ist. Die Akupunktur dürfen in Österreich nur Ärzte durchführen.
Wann soll ich mit Akupunktur anfangen?
Vor jeder Behandlung sollte unbedingt eine schulmedizinische Diagnose gestellt werden. Nur so lässt sich verhindern, dass durch die Nadelung eine schwerwiegende Erkrankung verschleiert oder eine besser wirkende Therapie verzögert wird.
So funktioniert Akupressur
• bei Zahn-, Kopf- und Rückenschmerzen: Drücken Sie den Punkt, höchste Erhebung, zwischen Daumen und Zeigefinger.
• bei Reizdarm und Stress: Drücken/massieren Sie den Punkt zwischen dem großen Zeh und dem zweiten Zeh dort, wo die beiden Mittelfußknochen einen Winkel bilden.
• bei Kopfschmerzen: Dieser Punkt befindet sich zwischen den Augenbrauen sowie eine Fingerbreite in der Verlängerung der Augenbraue und dem seitlichen Ende der Lidfalte.
• bei Heuschnupfen: Dieser Punkt liegt seitlich des Nasenflügels, dort, wo die Nase am breitesten ist – wirkt gut bei verstopfter Nase und Schnupfen.
Bei fachgerechter Anwendung ist die Akupunktur/Akupressur eine sichere Methode. Es können allerdings auch Nebenwirkungen auftreten: Am häufigsten sind dies lokale muskelkaterähnliche Beschwerden im Bereich der Einstichstellen.